Freitag, 7. Oktober 2016

Fliegende Stühle

... und Halbmast und Schafe


Fliegende Stühle

Eigentlich wollte ich diese Geschichte gar nicht erzählen, zu peinlich ist sie. Auf der Veranda standen vier Plastikstühle, als wir ankamen, gestapelt natürlich. Mama Vogelsberger arrangierte das für die kommenden nachmittäglichen Sonnenbäder (dann kommt dort die Sonne hin). Zwei der vier Stühle brachte sie in Sicherheit hinter einem Heckenrosenstrauch – was ich allerdings nicht wusste. Und vor Tagen, als es nächtens mit nahezu Windstärke 12 stürmte, lag einer der beiden einige Meter entfernt in den Dünen. Ich brachte ihn natürlich in Sicherheit. „Du, da draußen sind bloß noch zwei Stühle, … die anderen muss der Wind fortgeblasen haben!“, sagte ich. Was Mama Vogelsberger falsch verstand, meinte, die beiden hinterm Strauch seien da, die anderen beiden aber weg. Kompliziert, gell? Also machten wir uns schleunigst auf den Weg, die fortgeflogenen Stühle zu suchen.
Anderthalb Stunden lang stürmten wir im Sturm über die Dünen, fassungslos, wie weit Plastikstühle offenkundig fliegen können. „Das gib’s doch nicht!“, meinten wir.
Ich war beinahe versucht, die Wege mit dem Auto abzufahren, oder nach Nordby ins Fundbüro.
Nach einiger Zeit kam mir dann auch noch Mama Vogelsberger abhanden, in der hügeligen Landschaft verliert man sich schnell aus den Augen. So suchte ich dann Stühle und das Weib. Erfolglos. Irgendwann ging ich zum Haus zurück, konnte mich aber nicht vor dem kräftigen Wind in Sicherheit bringen, da wir nur einen Schlüssel besaßen, … und den hatte das Weib.
Aber wenigstens Windschutz suchen hinterm Haus … und da entdeckte ich die zwei Stühlen hinter den Heckenrosen – alle vier waren da.
Und als Mama Vogelsberger dann auftauchte – sie hatte mehrere Nachbarn in Windrichtung besucht, nach den Stühlen gefragt, und das natürlich zu einem Plausch genutzt – klärte ich sie auf über die wundersame Wiederauferstehung der Stühle.
Der Zank ging natürlich los, wer das denn nun verbockt habe. Ich natürlich, wer sonst.
Wie peinlich!


Halbmast

Letzte Woche wunderten wir uns, dass in Sønderho viele Häuser und auch die Kirche halbmast geflaggt hatten. Wir dachten, wohl etwas nicht mitbekommen zu haben, was für Dänemark mit Trauer verbunden ist.
Therese und Niels, bei denen wir zu einem Plauderstündchen nebst Bier zu Gast waren, klärten uns auf: In Sønderho war jemand gestorben (solche Flaggenrituale gibt es bei uns in Deutschland nicht, sind wohl gar verboten). Bei nur 340 Einwohnern hat jeder Todesfall natürlich ein besonderes Gewicht.
Übrigens ist die gesamte Fanø-Kommune mit 3.290 Einwohnern die zweitkleinste in ganz Dänemark.

Wenn geflaggt ist – mit dem großen Dannebrog – an einem einzelnen Haus, dann wird dort gewiss ein Fest gefeiert. So zum Beispiel am 3. Oktober, als Maya Fenja erster Geburtstag zu bejubeln war. Mama Vogelsberger wusste, woher auch immer, dass man nicht nur dem Geburtstagkind gratuliert, sondern auch den Eltern und den Großeltern. Ein schöner Brauch, dem wir gerne nachgekommen sind. Wir brachten sogar ein „Ständchen“ mit dem Lied „Den Danske Fødselsdag Sang“. Via Smartphone und Mini Sound Booster. Und es gab Fanøkringel, von Helen selbst gebacken, hmmm, der uns sehr an jenen erinnerte, den wir in frühen Jahren liebten, den man heute aber nicht mehr derart wohlschmeckend bekommt.
Und der Papa musste rechtzeitig vor Sonnenuntergang die Flagge einholen, das ist Pflicht, und die Flagge darf dabei nicht den Boden berühren. Was er natürlich ganz gewissenhaft gemacht hat.


Schafe

Wenn man drei Wochen auf Fanø verbringt, und das noch mit Mama Vogelsberger, dem Sonnenschein meiner alten Tage, dann sammeln sich tagaus tagein Dinge an, die man im Trubel des Alltags gar nicht aufarbeiten kann, auf die Warteliste oder neudeutsch To-do-Liste schiebt.
Wir waren gestern am Skovledeplads, nicht um zu schaukeln oder um Gottes willen nicht um Mühle zu spielen. Wir haben dort Birkenporlinge gesucht und einige geerntet, nicht um sie zu pulverisieren zur Herstellung von Gesundheitstee (da sind wir schon für den Rest unseres Lebens reichhaltig versorgt), sondern als „Tasche“ für die Schneiden wertvoller Messer oder Scheren. Die bleiben dann immer blitzblank und scharf, wenn man sie darin aufbewahrt. Gudde, die Korbflechtkünstlerin, macht das auch so. Wir haben auch schöne gefunden, jetzt ist ihre Zeit.

Auf dem Weg zurück, wir waren feige wegen des kalten Windes mit dem Auto gefahren, kamen wir an einem „Gehege“ vorbei, in dem sechs Schafe grasten, eine Rasse, die wir noch nie gesehen hatten auf der Insel. Dort findet man ja viele Gotlandschafe, jene Rasse, welche die „Wollfrau“ Lis hält und „verarbeitet“. Diese jedoch sahen ganz anders aus. Pummelige Wollknäuel, eine weiße Schnauze, waagrecht stehende Ohren, und unabhängig von der Fellfarbe (braun und grau) einen hellen, fast weißen Haarschopf, was aussah wie ein Toupet. Richtig lustig sahen sie aus!
Ich habe recherchiert. Es könnten aus England stammende „South Devon“ oder „Cornwall Longwool“ sein, bin mir aber nicht sicher. Angehalten, ausgestiegen, um sie zu betrachten und Fotos zu machen.
Sie waren aber zwischen Büschen mit Mahlzeit beschäftigt.
Mama Vogelsberger machte, täuschend ähnlich: „Määääh, määääh, …!“ Wie ein Lockruf hat das scheinbar nicht geklungen. Hinterher musste ich 200 Meter laufen, um sie wieder vor die Linse zu bekommen. Leider gegen die tiefstehende Sonne, so dass die Bilder nicht sonderlich gelungen sind.

Und wie der Zufall so spielt, unglaublich, begegneten uns bei diesem Hammelsprung die lieben dänischen Nachbarn von schräg gegenüber, Else und Asger. Sie waren dort in der Kante unterwegs gewesen, um Moosbeeren zu sammeln, hatten aber nur eine einzige gefunden. Damit kann man gewiss keine Marmelade produzieren. Aber wir wurden eingeladen zum Plausch bei Kaffee/Tee, Kaffee handgebrüht. Es gab Birkes und Boller, Croissants und Hefebällchen mit Rosinen. Ach, was hatten wir wieder viel zu erzählen.
Die beiden sind liebenswerte Zeitzeugen, können aus viel Jahrzehnten berichten.
Zum Beispiel von dem Orkan am 3. Dezember 1999, der so manche Ferienhäuser völlig platt gemacht hat.
Oder von den Nöten der Fähre, die es bei Sturm und Hochwasser nicht schaffte anzulegen, weder in Nordby noch in Esbjerg. Und die Passagiere mussten mehr als zwei Stunden lang ausharren, bis es gelang. Jesses!

1 Kommentar:

  1. Solange ihr keine fliegenden Schafe einfangen wollt, ist alles noch im grünen Bereich :P

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